Unser Karl May
Der Dichter, Abenteuer- und Heimatschriftsteller Karl May, Sohn unserer Stadt Hohenstein-Ernstthal, ist der auflagenstärkste Autor deutscher Sprache. Darauf sollten wir sehr stolz sein! Unzählige Leser kennen durch die Buchveröffentlichungen des Karl-May-Verlags Bamberg · Radebeul unsere Stadt. Wer den 34. Band der Gesammelten Werke »Ich« aufschlägt, findet zwei Karten von Hohenstein-Ernstthal und Umgebung. Die Karl-May-Geburtsstadt ist somit weltbekannt. Namhafte prominente Persönlichkeiten haben sich über Generationen hinweg zu Karl May bekannt. Die Liste ist lang, eine Auswahl:
Ernst Bloch 1885-1977, Philosoph Es gibt nur Karl May und Hegel - alles dazwischen ist eine unreine Mischung. Hermann Hesse 1867-1962, Schriftsteller Kürzlich las ich zum ersten Mal zwei Bücher eines Autors, der seit Jahrzehnten der gelesenste in Deutschland ist und den ich noch nicht kannte. Es ist Karl May. Von Leuten, die etwas verstehen, war mir immer gesagt worden, er sei ein ganz übler Macher und Schmierer. Es gab einmal eine Art Kampf um ihn. Nun, ich kenne ihn jetzt und empfehle seine Bücher. Sie sind phantastisch, unentwegt und hanebüchen, von einer gesunden, prächtigen Struktur, etwas völlig Frisches und Naives, trotz aller flotten Technik. Wie muss er auf die Jugend gewirkt haben! Hätte er doch den Krieg noch erlebt und wäre Pazifist gewesen! Kein Sechzehnjähriger wäre mehr eingerückt. Hermann Bahr 1863-1934, Dramatiker Wer so viel Hass, Neid, Verleumdung, Wut, Liebe, Bewunderung und Streit erntete wie Karl May, verdiente es schon um dieser Kraft willen, gehört zu werden ... Marie Luise (Lu) Droop 1890-1959, Übersetzerin, Filmautorin Wer Karl May persönlich kennt, seine schönen, tiefen Augen gesehen, aus denen sich zuweilen Flammen lösen, begreift, dass er nicht als Schriftsteller, sondern vor allem als Mensch zu werten ist, falls man ihm gerecht zu werden wünscht. Bertha von Suttner 1843-1914, Schriftstellerin, Friedensnobelpreisträgerin Wer den schönen alten Mann an jenem 22. März [1912] sprechen gehört, durch ganze zwei Stunden, weihevoll, begeisterungsvoll, in die höchsten Regionen des Gedankens strebend - der musste das Gefühl gehabt haben: In dieser Seele lodert das Feuer der Güte. Günter de Bruyn geb. 1926, Schriftsteller Ich habe Karl May in einer Zeit gelesen, in der Krieg und Militär die Ideale des deutschen Jungen zu sein hatten, und ich habe ihn immer als einen Gegner dieser Ideale empfunden. Seine Bücher vermitteln ein bestimmtes Gefühl von Freiheit, weil es immer Einzelne sind, die alle entscheidenden Dinge tun. Natürlich sind diese großen Einzelnen, Winnetou oder Old Shatterhand, auch Kämpfer, Krieger, aber das ist nicht das Entscheidende dabei. Es ist ein ausgeprägter Individualismus, der sich in den Karl-May-Gestalten zeigt. Ich hab das damals, als ich Karl May las, als direkten Gegensatz zu der Gleichmacherei der Nationalsozialisten empfunden. Karl Mays Helden sind immer Einzelgänger, niemals Teil einer uniformen militärischen Masse, wie sie die Nazis verherrlicht haben. Helmut Kohl geb. 1930, ehem. Bundeskanzler Karl Mays Reise- und Abenteuerromane habe ich als Schüler sehr gern gelesen, und das mit wachsender Begeisterung. Die spannenden Handlungen zogen mich ebenso in ihren Bann wie die durch ihre Originalität gewinnenden Helden. Winnetou ist mir wohl deshalb in so lebhafter Erinnerung geblieben, weil mich die Freundschaft zwischen dem weißen Jäger Old Shatterhand und Winnetou beeindruckte. Und kaum anders verhält es sich mit dem Roman "Ardistan und Dschinnistan". "Die Erde sehnt sich nach Ruhe", heißt es da, "die Menschheit nach Frieden, und die Geschichte will nicht mehr Taten der Gewalt und des Hasses, sondern Taten der Liebe verzeichnen." Das entsprach den Vorstellungen, mit denen ich als Schüler während des Krieges Karl May gelesen habe. Oskar Lafontaine geb. 1943, ehem. Ministerpräsident des Saarlandes Wir alle sind Winnetous Erben. Old Shatterhand, Winnetou, Kara Ben Nemsi, Hadschi Halef Omar, der Hobble Frank und die Tante Droll: Welcher Junge kennt sie nicht, diese Helden des 19. Jahrhunderts? Karl May, das ist ein Volksklassiker, der klassenlose deutsche Schriftsteller des 19. Jahrhunderts. Seine Fangemeinde ist riesig. Zu ihr zählen Arno Schmidt und Ernst Bloch, aber auch "Lieschen Müller und Egon Mustermann". In der ehemaligen DDR war er von der Staatsmacht nicht gerne gesehen. Es wurde zum Abenteuer, seine Abenteuerromane zu lesen. Er zog an - wie vieles Verbotene. Seine Lesebücher gehören zum gemeinsamen emotionalen Bestand der Nation. Wieder entdeckt werden aber müsste auch der andere Karl May. Der Karl May für Erwachsene, der Karl May von "Ardistan und Dschinnistan". Hier fehlt der übertrieben missionarische deutsche Ton. Nachdem er - lange Zeit nach den Reiseerzählungen - den Orient und Amerika tatsächlich besucht hatte, war ihm die Phantasie versperrt. So begann er die Reise in das Innere des Menschen. So paradox es klingt: Wirklich realistisch wurde er erst da, wo die Phantasie mit ihm durchging. In der Symbolik seines Alterswerkes. Das zu lesen lohnt heute wieder. Kurt Biedenkopf geb. 1930, ehm. Ministerpräsident des Landes Sachsen Bei Karl May erinnere ich mich an den größten Verlust, der mir je widerfahren ist. Als wir 1945 über Nacht Schkopau verlassen mussten und von der Militärkommandantur nach West-Deutschland transportiert wurden, da durften wir nur einen einzigen Koffer mitnehmen. Meine gesamte Karl-May-Sammlung - etwa 30 bis 40 Bände - musste ich zurücklassen. Heiner Geißler geb. 1930, ehem. Bundesminister für Jugend, Familie und Gesundheit Karl May hat wie kaum ein anderer Schriftsteller bei Millionen Jugendlichen durch seine phantasievolle Erzählweise erste tiefe Eindrücke von Abenteuer, fremden Ländern, Menschen und Sitten hinterlassen. Ob "Von Bagdad nach Stambul" oder "Durchs wilde Kurdistan", seine Helden Kara Ben Nemsi und Hadschi Halef Omar haben viele junge Menschen fasziniert. Karl May hat vielen jungen Menschen etwas sehr Wichtiges vermittelt: Die Neugier auf Bücher. Wenn heute Abenteuer aus aller Welt unseren Kindern und Jugendlichen "mundgerecht" vom Fernsehen in die Wohnstube gebracht werden, finde ich dies manchmal schade; es fehlt dabei die Chance, sich die Szenen und Landschaften mit Hilfe der eigenen Phantasie auszumalen. Die Spannung der geschilderten Abenteuer, die lebendige Darstellung der Ereignisse, die Information über fremde Länder und Menschen machten das Faszinierende an den Karl-May-Büchern aus. Aber auch der Beitrag zur Völkerverständigung, die Anerkennung von Minderheiten, das Erwecken von Sympathie und Hilfsbereitschaft für bedrängte und benachteiligte Menschen dürfen ebenfalls nicht gering eingeschätzt werden. Die Karl-May-Bücher haben bis auf den heutigen Tag ihre Anziehungskraft aus guten Gründen nicht verloren. Marion Gräfin Dönhoff 1909-2002, Journalistin Verantwortung zu tragen, das wurde uns nicht gepredigt, das ergab sich einfach in der Gemeinschaft. Unsere Spielgefährten waren Dorfkinder, und es war klar, dass wir es waren, die für zerbrochene Fensterscheiben oder abhanden gekommenes Werkzeug die Schelte bekamen - dafür sorgten schon die Handwerker, die keineswegs glimpflich mit uns umgingen. Petzen, sich drücken und einwenden, das waren nicht wir, das war der und der, das wäre ganz gegen unsere an Karl May geschulten Begriffe von Edelmut und Fairness gewesen. Max von der Grün 1926-2005, Schriftsteller Wie arm sind doch die Jungen, die nie von Karl May gelesen haben. Hans Hellmut Kirst 1914-1989, Schriftsteller Dieser Karl May ist - was einige nicht wahr haben wollen - eine sehr starke literarische Persönlichkeit. Vermutlich ist er gar kein Schriftsteller "für die Jugend" - sondern einer für jene, die sich "das Jugendliche" bewahrt haben, oder die eben nicht darüber hinaus gekommen sind. Rafik Schami geb. 1946, deutsch schreibender syrischer Schriftsteller Bei Allah, dieser Karl Ben May hat den Orient im Hirn und Herzen mehr verstanden als ein Heer heutiger Journalisten, Orientalisten und ähnlicher Idiotisten. Hans-Dietrich Genscher geb. 1927, ehm. Bundesaußenminister Ich habe alle Bände von Karl May gelesen und hätte als kleiner Junge in Halle niemals erträumt, einmal selbst soviel zu reisen wie Karl May in seiner Phantasie. Mein Lieblingsheld war Old Shatterhand - wegen der durchschlagenden Wirkung. Georg Thomalla 1915-1999, Schauspieler Vielleicht klingt es anmaßend, wenn ich behaupte, dass ich niemals, auch nicht als Kind, "Schund" gelesen habe. Aber es ist die reine Wahrheit. Mit Karl May begann's (oder will den jemand als Schund bezeichnen, dann möge er sich bei mir melden ... ) Norbert Blüm geb. 1935, ehm. Bundesarbeitsminister Karl May hat mit Old Shatterhand und Kara Ben Nemsi Figuren geschaffen, mit denen sich jugendliche und erwachsene Leser noch identifizieren werden, wenn längst vergessen ist, wer Rambo oder "Der Terminator" sind. Die Wirkung von Karl Mays Figuren beruht darauf, dass sie unsere Phantasie anregen. Sie treffen unsere Sehnsucht nach exotischer Ferne und einer besseren Welt. Selbst wenn sie ins Mythische und Surreale gleiten, behalten sie ein menschliches Maß und sind damit den Kultfiguren des Action-Kinos haushoch überlegen. Manfred Stolpe geb. 1936, ehm. Ministerpräsident des Landes Brandenburg Die Bücher von Karl May waren lange Zeit in der ehemaligen DDR offiziell verpönt. Das Lesen der Geschichten von Karl May machte Lust aufs Ausland und auf die Ferne. Das passte nicht zur DDR-Ideologie. Außerdem entschieden unsere selbsternannten Vordenker, dass Karl May das Leben der Indianer zu verklärt und nicht kämpferisch genug darstellte. Natürlich haben wir ihn trotzdem gelesen. Er wurde von Verwandten und Freunden aus dem Westen mitgebracht und von Hand zu Hand weitergereicht. Trotz der Widrigkeiten habe ich alle Bände gelesen und davon einige mehrmals. Erst ab Mitte der 80er Jahre rang man sich auch bei uns dazu durch, Karl May zu verlegen. Eine Ventilfunktion für den wachsenden Unmut der Bevölkerung über das Eingesperrtsein versprachen sich die Herrschenden dadurch. Ich kenne hier niemanden, der nicht gern Karl May gelesen hat! Karl May verbindet uns. Franz-Josef Strauß 1915-1988, ehm. Ministerpräsident des Landes Bayern Ich denke noch mit Vergnügen an die Lektüre der Märchen, nicht nur der Gebrüder Grimm, sondern auch Hauffs, Bechsteins, Andersens. Auch Karl May durfte nicht fehlen. Ich habe wohl alle Bände der gesammelten Ausgabe gelesen ... Heinz Stolte 1914-1992, Professor für Germanistik, Essayist Hakawati, - ein Märchenerzähler -, hat er sich selbst genannt. "Bloß ein schlechter Schriftsteller", so hat kürzlich Friedrich Sieburg von ihm gesagt. Aber das ist ganz falsch, und ich stehe hier, um im Namen der Achim von Arnim und Clemens Brentano, der Jacob und Wilhelm Grimm dagegen zu protestieren. Auch die alten Volksmärchen und Lieder hat man lange genug verächtlich als "dummes Zeug" angesehen, ehe man seit Herder und den Romantikern staunend vor dieser reichen und bunten Phantasiewelt als einem ehrwürdigen nationalen Besitztum stand. Euchar Albrecht Schmid 1884-1951, Verleger Karl May, der erzgebirgische Weberssohn, gehört der Literaturgeschichte an und wird möglicherweise der Weltgeschichte angehören. Die Nachwelt wird über ihn und über uns alle richten, die wir am Wohl und Wehe seines Weltruhmes beteiligt waren. Karl Liebknecht 1871-1919, Politiker Besten Dank für die Übermittlung der "Lanze für Karl May"! Großartig, wie der Karl-May-Verleger [E. A. Schmid] mit dem deutschen Willen Ferdinand Avenarius abrechnet! Mich freut dies besonders, weil ich ja die Karl-May-Bücher seit Jahren schätze und immer wieder gerne lese. Hans Wollschläger 1935-2007, Übersetzer, Schriftsteller Über May wäre zu sagen: Er war ein Mensch, der ungezählten Millionen das Unglück erleichtert, das Glück vermehrt hat, und er war letzten Endes auch ein großer Schriftsteller. |
Karl May wurde am 25. Februar 1842 in
Ernstthal (heute Hohenstein-Ernstthal) als fünftes von vierzehn Kindern
geboren; neun von ihnen starben in frühester Kindheit. Im Hause May
herrschte größtes Elend – bittere Armut, manchmal gar Hungersnot. Die
Zustände im ›Weberelend‹ sind mit heutigen Verhältnissen in den
Entwicklungsländern vergleichbar – ideale Voraussetzungen für
Vitamin-Mangel-Erkrankungen und Infektionen. Mit großer
Wahrscheinlichkeit litt May als Kleinkind zeitweilig an einer
funktionellen Blindheit (Blepharospasmus, Lidkrampf).
Nach schwerer Jugend absolvierte er 1861 sein Examen zum
Volksschullehrer. Sein Abgangszeugnis hatte die Gesamtnote »gut«. Als
Hilfslehrer war May dann in Glauchau und Altchemnitz tätig. Durch die
Intrige eines Buchhalters – gewichtige Indizien sprechen dafür – wurde
er des Diebstahls einer Taschenuhr bezichtigt. Er wurde
höchstwahrscheinlich (die Akten sind nicht erhalten) wegen
»widerrechtlicher Benutzung fremder Sachen« nach Art. 330, Abs. 3,
verurteilt. Dieser Paragraph wurde wenige Jahre später abgeschaft, es
wäre nicht zu einer folgenschweren Verurteilung gekommen. Man verhängte
aber die Höchststrafe: sechs Wochen Gefängnis. Mays Name wurde
daraufhin aus der Liste der sächsischen Schulamtskandidaten gestrichen.
Auch die Erteilung von Privatunterricht war ihm ausdrücklich untersagt
worden. Seine bürgerliche Existenz geriet ins Wanken. Aus
psychisch-seelischer Verstörung kam er auf die schiefe Bahn, indem er
sich an die Justiz und Gesellschaft zu rächen versuchte. Der Schaden,
den May mit seinen phantasievollen Delikten anrichtete, erreichte
insgesamt keine 1000 Mark. Dafür war er insgesamt fast 8 Jahre
inhaftiert. Die Höhe der Strafe ist aus heutiger Sicht unvorstellbar.
»May hat später, als er zu Geld gekommen war, viele tausend Mark an
Bedürftige verschenkt, er hat auch sein gesamtes Vermögen und alle
innerhalb der Schutzfrist noch zu erzielenden Einnahmen aus seinen
Werken einer Stiftung für mittellose Künstler hinterlassen. Auch ist
der Läuterungsgedanke«, wie der Strafrechtler Claus Roxin anmerkt,
»eine der Grundtendenzen seines Werkes – nicht überall zu dessen
literarischem Vorteil«.
|
|
|
Karl-May-Geburtshaus |
Karl May |
Villa »Shatterhand.« |
Es ist eine große Leistung Mays, dass
er nach seinen langen Haftstrafen 1874 wieder ins bürgerliche Leben
zurückfand. Er schaffte den Einstieg in die Literatur und schrieb
zunächst vor allem heimatliche Novellen (›Die Rose von Ernstthal‹,
›Wanda‹, ›Die Fastnachtsnarren‹), die in Hohenstein-Ernstthal und
Umgebung spielen. Sehr großen Erfolg hatte er mit seinen fünf
Kolportageromanen. Der Durchbruch gelang ihm mit seinen
›Reiseerzählungen‹, die ab 1892 in Buchform erschienen. May schildert
darin in der Ich-Form die abenteuerlichen Erlebnisse seines Helden in
exotischen Ländern, vor allem im Wilden Westen Nordamerikas und im
Orient. Es gelang ihm, wie Claus Roxin urteilt, diese fiktiven Berichte
so suggestiv vorzutragen und ihren geographischen und völkerkundlichen
Hintergrund so farbenprächtig auszumalen, dass die Reiseerzählungen
(›Winnetou‹, ›Old Surehand‹, ›Durch die Wüste‹ usw.), obwohl ihr
literarischer Wert nach wie vor unterschiedlich beurteilt wird, bis
heute immer neue Lesergenerationen in ihren Bann schlagen. Auch die
humane Tendenz seiner Bücher und ihr Einsatz für unterdrückte Völker
(wie die Indianer und die Kurden) sichern dem »Shakespeare der Jungens«
(Ernst Bloch) immer wieder aktuelles Interesse und die Zuneigung
ungezählter Leser.
Für die Jugend schrieb May die acht Erzählungen ›Der Sohn
des Bärenjägers‹, ›Der Geist des Llano estakdo‹, ›Kong-Kheou, das
Ehrenwort‹ (›Der blau-rote Methusalem‹), ›Die Sklavenkarawane‹, ›Der
Schatz im Silbersee‹, ›Das Vermächtnis des Inka‹, ›Der Ölprinz‹ und
›Der schwarze Mustang‹. Noch heute gehören, so der Literat Hans
Wollschläger, diese Bände »zu den Guten Büchern, die Kindern in die
Hand zu geben wären«. Wollschläger spricht ihnen »das Maß klassischer
Leistung« zu.
Erzgebirgische Dorfgeschichten | Der Schatz im Silbersee | Und Friede auf Erden! |
Mays Gesamtwerk enthält nur sehr
wenige vom damaligen Zeitgeist im Kaiserreich beeinflusste negative
Formulierungen gegen andere Völker. In seinem Alterswerk distanzierte
er sich völlig von oberflächlichen Stereotypen. Beispielhaft ist Mays
Freundschaft zur Begründerin der Friedensforschung und
Friedensnobelpreisträgerin Bertha von Suttner (1843–1914). 1905 hielt
Bertha von Suttner einen Vortrag in Dresden. Unter den Zuhörern war
Karl May mit seiner Frau Klara:
»… wir hatten Sie noch nie gesehen, obgleich wir Ihr
großes, segensreiche Wirken und auch alle Ihre Bücher kennen. Wir
freuten uns unendlich über die Gelegenheit, Ihre weithin schallende,
gewichtige Stimme zu ... hören. Und wir hörten sie, bis zur tiefsten
Erschütterung. Meine Frau, die Gute, weinte, und auch ich wehrte mich
der Tränen nicht … [ich] darf … offenbaren, dass Ihre Seele alle meine
Bücher belebt, auch das hier vorliegende. Wir, die wir uns von dieser
Seele leiten lassen, scheuen weder Hass noch Hohn. Wir gehen ruhig des
Weges, den sie uns führen. Schon sehen wir das Ziel; werden es
erreichen. Gott segne Sie!« [Brief Karl Mays an Bertha von Suttner vom
17.10.1905. Der Originalbrief befindet sich im
Bertha-von-Suttner-Archiv der Vereinten Nationen in Genf.]
Fortan tauschten beide, Bertha von Suttner und Karl May,
ihre Friedensgedanken aus. Als May in Wien am 22. März 1912 seine große
pazifistische Rede »Empor ins Reich der Edelmenschen« vor dreitausend
begeisterten Zuhören hielt, saß sie vor seinem Rednerpult. Nur wenige
Tage später, am 30. März, starb May.
Bertha von Suttner schrieb den Nachruf für das Wiener
Blatt ›Die Zeit‹ (5.4.1912). Hieraus lässt sich ersehen, wie sehr
beider Seelen miteinander verbunden waren:
Einige Worte über Karl
May.
Von Berta v. Suttner.
Die Nachricht von Karl Mays Tode wird alle jene, die hier im Sophiensaal dem allerletzten Vortrag, den er gehalten, beigewohnt haben, ganz besonders erschüttern. Er sprach viel vom Sterben und vom Jenseits, von göttlichen und ewigen Dingen, und es lag etwas Seherhaftes, Unendlichkeitssehnendes in seiner ganzen Art. Zwar dachte er nicht an ein eigenes nahes Ende, denn er teilte mit, dass er, der Siebzigjährige, erst sein Hauptwerk schreiben wolle. Einmal aber erwähnte er, der Arzt habe ihm verboten, zu reisen und öffentlich zu sprechen - es könnte ihm - nach kaum überstandener Krankheit - das Leben kosten.
Und richtig, so ist es auch gekommen; kaum von Wien in sein Heim bei Dresden zurückgekehrt, legte er sich und starb. Er hatte noch eine große Freude erlebt. Der Jubel, mit dem ihn die dreitausend Zuhörer umtosten, war ja nicht nur der Ausdruck von dem Schriftsteller gewidmetem Beifall gewesen, sondern vielmehr eine Demonstration von persönlicher Verehrung, ein Protest gegen die Bosheits- und Verleumdungskampagne, die gegen ihn geführt worden und aus der er voll rehabilitiert hervorgegangen war, die ihm aber durch zehn lange Jahre das Leben verbittert hatte.
Wer den schönen alten Mann an jenem 22. März (am 30. März, seinem Hochzeitstag, traf ihn ein Herzschlag) sprechen gehört, durch ganze zwei Stunden, weihevoll, begeisterungsvoll, in die höchsten Regionen des Gedankens strebend - der musste das Gefühl gehabt haben: In dieser Seele lodert das Feuer der Güte.
|
|
Bertha von Suttner |
Karl May |
Bemerkenswerte Aussprüche Karl Mays, die seine tolerante Gesinnung in der wilhelminischen Zeit dokumentieren:
»Wehe und tausendmal wehe dem Volke, welches das Blut und das Leben von Hunderttausenden vergießt, um anderthalb Schock Ritter des eisernen Kreuzes dekorieren zu können! Wir brauchen Männer des Geistes, Männer des Wissens und der Kunst. Die wachsen aber nicht bei Wagram oder Waterloo!« – Karl May an den Maler und Freund Sascha Schneider (1906)
»Auch der Indianer ist Mensch und steht im Besitze seiner Menschenrechte; es ist eine schwere Sünde, ihm das Recht, zu existieren, abzusprechen und die Mittel der Existenz nach und nach zu entziehen.« – Ein Ölbrand, in: Das Neue Universum, Stuttgart 1882, S. 3.
»Einen Weißen? … Aber das ist fürchterlich!« - »Nicht fürchterlicher, als wenn man einen Schwarzen verkauft. Mensch ist Mensch.« – Waldröschen, Dresden 1883, S. 189.
»Ein jedes Volk hat das Recht, sich selbst zu regieren.« – Waldröschen, Dresden 1884, S. 1670.
»Der rote Mann kämpft den Verzweiflungskampf; er muss unterliegen; aber ein jeder Schädel eines Indianers, welcher später aus der Erde geackert wird, wird denselben stummen Schrei zum Himmel stoßen, von dem das vierte Kapitel der Genesis erzählt.« – Der Sohn des Bärenjägers, Stuttgart 1890, S. 78.»Vor allen Dingen bin ich Mensch, und wenn ein andrer Mensch sich in Not befindet und ihm helfen kann, so frage ich nicht, ob seine Haut eine grüne oder blaue Farbe hat.« – Old Surehand I, Freiburg 1894, S. 242.
»Geht mir mit einer Zivilisation, die sich nur vom Länderraub ernährt und nur im Blute watet! Wir wollen da gar nicht etwa nur von der roten Rasse reden, o nein. Schaut in alle Erdteile, mögen sie heißen, wie sie wollen! Wird da nicht überall und allerwärts grad von den Zivilisiertesten der Zivilisierten ein fortgesetzter Raub, ein gewalttätiger Länderdiebstahl ausgeführt, durch welchen Reiche gestürzt, Nationen vernichtet und Millionen und Abermillionen von Menschen um ihre angestammten Rechte betrogen werden?« – Old Surehand III, Freiburg 1896, S. 127.
»Die Klugheit ist stärker als die Gewalt, und die Milde mächtiger als der Mord.« – Satan und Ischariot III, Freiburg 1897, S. 466.
»Wer Tiere quält, taugt nichts; wer aber Menschen unnütz wehe tut, der ist noch viel weniger wert.« – Der schwarze Mustang, Stuttgart 1899, S. 192.
»Aber ich klage die ganze sich ›zivilisiert‹ nennende Menschheit an, dass sie trotz aller Religionen und trotz einer achttausendjährigen Weltgeschichte noch heutigen Tages nicht wissen will, dass dieses ›Zivilisieren‹ nichts anderes als ein ›Terrorisieren‹ ist!« – Und Friede auf Erden!, Freiburg 1904, S. 278.
»Wie man den Krieg führt, das weiß jedermann; wie man den Frieden führt, das weiß kein Mensch. Ihr habt stehende Heere für den Krieg, die jährlich viele Milliarden kosten. Wo habt ihr eure stehenden Heere für den Frieden, die keinen einzigen Para kosten, sondern Millionen einbringen würden?« – Ardistan und Dschinnistan I, Freiburg 1909, S. 17.»Steuern sind erzwungener Tribut. Keiner gibt sie gerne. Werden sie für Werke des Friedens verwendet, so bringen sie Segen. Verlangt man sie aber für den Krieg, so bringen sie Fluch.« – Ardistan und Dschinnistan I, Freiburg 1909, S. 288.
Externe Karl-May-Links
Haftungshinweis: Trotz sorgfältiger inhaltlicher Kontrolle übernehmen wir keine Haftung für die Inhalte externer Links. Für den Inhalt der verlinkten Seiten sind ausschließlich deren Betreiber verantwortlich.